Uff.

Ich war völlig geplättet, als mein Mann in mein Büro kam und mir mitteilte, dass Horst Köhler sein Amt als Bundespräsident niedergelegt hat. Zuerst mal fiel mir gar nichts ein, ich war sprachlos, dann fragte ich, ob das sein Ernst sei – eine blöde Frage, was denn sonst -, aber dennoch, ich kleidete meine Ungläubigkeit damit in Worte. So etwas hat es noch nie gegeben.
Diese Entscheidung mag für uns Knall auf Fall wirken, und sie hat begreiflicherweise wie eine Bombe eingeschlagen. Auch wenn der Bundespräsident mehr repräsentative Pflichten hat (wie Adelshäuser in anderen Ländern), so scheint es, da die Regierung schließlich von der Bundeskanzlerin gebildet wird, ist er nun einmal das Staatsoberhaupt unseres Landes.
Und Horst Köhler hat in seinem Amt sehr viel mehr gesehen als nur das Lächeln zu offiziellen Anlässen. Er hat sich von Anfang an zu großer Verantwortung bekannt, hat auch mal Gesetze nicht unterschrieben und war unbequem, indem er ganz öffentlich bekundet hat, was nicht richtig läuft im Staate Deutschland.
Zu unbequem, scheint’s. Ein Politiker, der die Wahrheit sagt? Ausgeschlossen. Das können die regierenden und oppositionellen Parteien nicht zulassen.
Horst Köhler hat sich, so sehe ich das aus großer Distanz, keineswegs spontan dazu entschlossen. Ich glaube, dass dieser Verlautbarung ein langer Prozess vorangegangen ist, an dem er sehr schwer getragen hat. Ich bin sicher, dass er lange jedes Für und Wider abgewogen hat und dass ihm die letztendliche Entscheidung sehr, sehr schwer gefallen ist. Denn schließlich gibt er damit auch ein Stück von dem auf, wofür er eingestanden ist. Damit wird offenbar, was wir schon lange wissen im Volk: Was „da oben“ läuft.
Ich glaube, im vergangenen Jahr war Horst Köhler so einsam wie noch nie vorher. Er hat auf Missstände hingewiesen, aber niemand hat ihm zugehört. „Maul halten und unterschreiben, Majestät, wir wissen schon, was gut und richtig ist für’s Volk, denn schließlich sind wir die Regierung (und die Opposition).“ Der Bundespräsident, so sah es bisher aus, hatte lediglich formellen Charakter. Stand als Staatsoberhaupt vorn dran und unterschrieb alles, was gewiefte Anwälte und Politikwissenschaftler und sonstige, die sich erfolgreich emporgekämpft haben, ausgetüftelt haben.

Lieber Herr Köhler: Ich kann mir vermutlich nicht im entferntesten vorstellen, wie Sie sich nun fühlen, wie es Ihnen geht. Meistens geht es einem nach einer grundlegenden Entscheidung besser. In diesem Fall aber, so glaube ich, nicht – zumindest noch nicht. Wahrscheinlich brauchen Sie noch einige Zeit, um all das zu verarbeiten, was Sie zu diesem Schritt bewogen haben muss.

Ich sehe es übrigens nicht so, dass Sie überreagiert oder aufgesteckt haben, ganz im Gegenteil. Ich glaube, Sie sind sich sehr genau bewusst, was und warum Sie das getan haben, und ganz bestimmt nicht aus persönlicher verletzter Eitelkeit.
Ich finde es schrecklich, Sie zu verlieren – gerade deswegen.

Herr Köhler, Sie haben meine Hochachtung und meinen Beistand zu dieser sehr mutigen, sehr konsequenten Haltung. Ich weiß, Sie haben es getan, weil Sie für das Volk einstehen wollen, und nicht, weil Sie es im Stich gelassen haben. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich sagen: Chapeau, ich ziehe meinen Hut vor Ihnen.

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