S – Das Schiff des Theseus (Abrams/Dorst) 1. Kapitel

Kapitel 1 – Was beginnt, was endet

Im Text selbst gibt es zwei Szenen: Mann ohne Gedächtnis läuft nachts durch unbekannte Stadt, landet in einer Kneipe, trifft da eine junge Frau, wird entführt und kommt auf einem kapitänlosen Schiff mit Matrosen mit zugenähten Mündern zu sich.

Der Romantext ist mit Fußnoten von FXC begleitet. Und zwar insofern, als die Situation bzw. Person sofort analysiert wird. Abgesehen davon, dass das Igitt ist und in einem normalen Werk nicht vorkommen sollte (Fußnoten an sich sind schon ätzend), wird hier natürlich klar, der literarische Text ist pillepalle, das Werk an sich ist ein Code für wasweißich, eine Parabel zu ebenfalls wasweißich.

Jen erläutert gleich auf der ersten Seite die Theorien bezüglich VMS, FXC und dieses Buches. Die Codierscheibe (hinten eingelegt) wird erwähnt, man kann sie auch schon anwenden. Da ich keine Ahnung habe wie, bleibt sie dort, wo sie ist.

Auf der Vakatseite beschwert Jen sich, dass sie XXX Namen nicht kennt. Er weicht aus, sie recherchiert, er meint, sie habe ihn erwischt, und dann folgt von ihr in anderer Farbe, dass er sich für ganz schlau gehalten habe. Also: Der recherchierte Name ist falsch. Weg damit.

Im folgenden zeigt XXX sich ebenso paranoid wie VMS und FXC, er fühlt sich verfolgt, spricht von Bedrohungen; und hat ein ernstes Problem mit seinem Doktorvater.

Im Text wird jetzt das „S“ erwähnt. Ein Mann ohne Orientierung und Erinnerung ist unterwegs und hat unterwegs ein paar Begegnungen, von Bedeutung oder nicht.

Jen weiß nicht, ob sie weiterhin tun soll, was man von ihr erwartet, und XXX rät ihr natürlich ab, sie sieht ihn aber als schlechtes Vorbild.

Sie stellt fest, dass es in Strakas Welt zu viele Todesstürze gab, und trägt nach, dass dies gedankenlos war, denn dies geschah ja, unterstrichen, Menschen.

Im Text wird der Kapuzineraffe, der sich auf dem Siegel befindet, zum ersten Mal erwähnt. (Kommt auch im Lauf des Kapitels immer mal vor.)

Ständig wechselnde Perspektiven, absolut auktorielle Erzählung.

XXX offenbart endlich seinen Namen „Eric Husch“. Da denke ich doch gleich an „Hush“, steht so wahrscheinlich auch im englischen Original.

J+E ziehen die ersten Schlüsse und stellen nachträglich fest, dass sie wohl richtig lagen, haben aber noch keinen Beweis.

Eric legt eine Liste der Verbrechen (Morde, Attentatsversuche, Bombenanschläge, Verschwörung, uvm), die Straka zur Last gelegt werden. Die Liste ist lang und fürchterlich. Straka scheint in Personalunion eine ganze Geheimloge, der Antichrist und der Höllenfürst gewesen zu sein. Interessant dabei, dass er offenbar nie angeklagt wurde.

Habe mal nach den mir unbekannten Namen gegooglet. Sehr raffiniert, meine Herren Autoren. Seeehr raffiniert.  Trotzdem lese ich jetzt lieber nur das Buch. Mit dem anderen Zeug beschäftige ich mich vielleicht mal.

Das „S“ taucht nun sehr deutlich auf. Die Sprache wechselt von mitleidsvoll zu derb-verachtend.

Eric existiert nun ebenfalls nicht mehr. Er ist im Studiverzeichnis gelöscht und auch ansonsten gibt es keinen Beweis einer „normal existierenden“ Person. Welch nicht mal erstaunliche Parallele, und Jen, obwohl sie Eric unbedingt kennenlernen will, stört sich nicht daran. Da sie bereits zweimal von Liebe (VMS/FXC und in Bezug auf den Text) gesprochen hat, scheint sich hier diese Konstellation zu wiederholen. Da bahnt sich in jedem Fall eine Liebesgeschichte an, wobei es möglich ist, dass Eric die romantische und abenteuerlustige (in die Brüche gegangene Beziehung, gelangweilt vom Studium) Jen nur benutzen will.

Jetzt muss ich doch mal zum Romantext schmunzeln. Der Mann ist also irgendwie zu sich gekommen und versucht herauszufinden, wo er sich befindet, wer er ist, und ob die Leute in der Kneipe mit ihm zu tun haben; das Geld ist ihm fremd. Ich lese gerade von Cees Noteboom das großartige „Die folgende Geschichte“, die einen ganz ähnlichen Beginn hat. Da hat der Erwachte zwar keine Totalamnesie, ist aber auch auf der Suche nach seinem Leben an einem falschen Ort zu sich gekommen.

Auf den S. 20-21 geht es vorwiegend um Jens und Erics Leben. Eric, der plötzlich Geld von einer geheimnisvollen Institution angeboten bekommt für seine Forschungen in Bezug auf das Buch, und dann ist da der „böse“ Doktorvater Moody, dessen Assistentin Ilsa und Jen, die beide ebenfalls kennt. Sie spricht mit beiden nicht über Eric und verhält sich dadurch wie eine Verschwörerin. In Bezug worauf?

„S“ im Buch ist immer noch in einer Kneipe und noch nicht weiter. Der Stil ist zeitlich passend, auch die langsame Erzählweise – und der Inhalt an sich. Ganz klassisch, das alles, mit dem namenlosen Zeugs, Geheimnissen, Fragen … wie bei Gogol.

Jen beeindruckt Eric im Folgenden mit der Kopie einer Seite zu einem geheimnisvollen Kloster und einem noch geheimnisvolleren „S“ (ein „mythischer Bogenschütze“), der ein Buch („S“) über seine bemerkenswerten Erlebnisse auf seiner ewigen Reise verfasst hat. Das Buch gibt es natürlich nirgends, und das Kloster auch nicht. Aber laut Jen eine Website 😉 (ich hab’s nicht nachgeprüft *g*) zu all den „angeblichen Büchern“, und sinnigerweise übereinstimmen das Schiff „Imperia“ und andere Daten aus dem verschollenen Schmöker mit diesem „S“-Roman.

Jen mag Klassiker – wie passend. Aber gut, sie würde sich sonst auch nicht Straka zuwenden. Hätte sie ein rein amouröses Interesse an Eric, hätte sie sich nicht die anderen Werke Strakas reingepfiffen.

Auf S. 24 wird zum ersten Mal, nachgetragen in anderer Farbe, Bezug auf die geheimnisvollen „sie“ genommen, also jene Leute, die das Buch und Straka als gefährlich einstufen. Weiterer Spannungsaufbau, denn ab jetzt sind wir gewiss, dass unsere zwei Leser in Gefahr geraten werden. Auch auf S. 26 gibt es spätere Eintragungen, die beiden sind nun „voll drin“, und Doktorvater Moody und Assistentin Ilsa gehören entweder zum Komplott oder sind ebenfalls auf der Suche. Tja, wonach? („Was war in dem Koffer?“ – „Das hab ich vergessen.“ – Ronin)

Jen betätigt sich im Folgenden als Detektivin und entdeckt, dass FXC weiblich ist, die wohl 1924 mit Straka zusammen auf einem Schiff war. Nettes Glatteis, weil viel zu einfach. Ist nicht schlüssig, nachdem im Vorwort behauptet wurde, dass die beiden erst zum Abschluss von „S“ sich zum ersten Mal begegnen sollten. Also an einer von beiden Stellen wird da handfest gelogen! Dass Eric da nicht längst von selbst draufgekommen sein will? Der Kerl ist ein Manipulator vor dem Herrn. (Wir erhalten übrigens einen Zeitungsausschnitt über seinen Vandalismus.)

Eric setzt einen zweiten Stern zu einer Textstelle, die über das „Fallen“ schwadroniert, das Zentralthema Strakas, der selbst mal „gefallen“ ist (oder sich gestürzt hat). Hier verdichtet sich natürlich der Verdacht, dass Straka – „S“ – über sich selbst schreibt, vielleicht eine Erklärung zu seinem bisherigen Leben und Handeln und dem vorhersehbaren Ende. (Tod oder Amnesie.)

Den Kapiteltitel begreife ich nicht zum Inhalt, wenngleich er zitiert wird. Die Zahl 19 spielt im Roman eine Rolle, bezieht sich aber auch auf Straka selbst (natürlich) mit 19 Romanen, mit 19 hat er aufgehört, Geige zu spielen, etc.

Die Alptraumszene auf dem Schiff geht weiter, das ist wirklich alles ganz klassisch, und ebenso klassisch auch, dass Eric Jen versetzt.

Abrams erweist sich als Filmemacher, der sorgfältig und versiert die Handlung Stück für Stück konstruiert.

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