Momentan scheint es in zu sein, dass Leute, die dringend etwas verkaufen müssen, sich mit „ehrlicher Meinung“ ins Gespräch bringen müssen. Sarrazin, Matussek und wie sie alle heißen, aktuell ist es Sibylle Lewitscharoff. Ich muss an der Stelle mal wieder zugeben, welch Banausin ich bin, denn ich habe trotz ihrer vielen Preise und Auszeichnungen von dieser Frau zum ersten Mal durch diesen absichtlich selbst erzeugten Skandal gehört. Habe daraufhin auf „amazon Blick ins Buch“ mal hineingeschaut in das preiswürdige Werk und erkannt, warum ich nichts von der hohen Literatin gehört oder gelesen habe, denn das ist nicht meine Liga. Also Lese-Liga, meine ich. Dieses deutschgedrechselte 200 Jahre alte Dichtergeschwurbel ist nichts für mich, sorry, das ist nur was für verstaubte Feuilletonisten und Preisverleiher, die sich stets auf jemanden stürzen, der so geschraubt (was offenbar bedeutet „intelligent“) schreibt, dass man den simplen Inhalt dahinter nicht mehr findet.
Wie auch immer. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie man so einen Skandal erzeugt, der die Medien zumindest 1 Woche lang beschäftigt. Und der dafür sorgt, dass man keinerlei Werbebudget aufbringen muss, sondern im Gegenteil noch Kohle kriegt.
Also, die Reihenfolge der schlauen Strategie geht so:
1. <Öffentliche Rede Blabla rassistisch/sexistisch/misogynistisch/homophob/diskriminierend/terror/gott/werte/christlich/ Blabla
Ende>
2. Die Presse regt sich auf.
3. Hurra, ich bin auf allen Titelseiten in Print und Digital!
4. Hurra, endlich bemerkt mal jemand, dass ich Frau/Herr WICHTIG bin!
5. Hurra, man will Interviews von mir!
6.
7. Trotzdem ist das übrigens meine Meinung, und eigentlich habe ich noch viel mehr auf der Pfanne, das ihr in meinem neuesten Buch/Essay/Wasichgeradeverkaufenwill findet. Rückt raus die Kohle und macht mich glücklich.
8. Übrigens ist mir die Meinungsfreiheit laut Grundgesetz garantiert.
9. Das wird man doch wohl mal sagen dürfen!
Erzähl mir doch bitte keiner, dass das nicht von vornherein genau so geplant und gewollt ist. Man redet sich terminlich passend genau jetzt und nicht etwa vorher schon seinen Müll von der Seele und suhlt sich in der Empörung der Anderen, weil man damit gaaaaaaaaaaaaaaanz oben steht in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Hach, tut das guuuuuut!
Erzähl mir doch keiner, dass jemand, der nicht gerade spontan auf dem Münchner Marienplatz befragt wird, nicht über die Konsequenzen nachdenkt, die eine Rede wie die jüngste von Frau L. auslöst. (Deren Thematik sich mir anhand der Örtlichkeit und der Veranstaltung zwar nicht erschließt, aber ich bin ja auch keine Literatin oder Feuilletonistin oder Preisverleiherin oder Philosophin.) Es handelt sich hier doch nicht um jemanden, der vor ein paar Minuten auf der Brennsuppe dahergeschwommen ist.
Natürlich wissen diese Leute ganz genau, was sie da tun, sie planen absolut minutiös, feilen an jedem Wort, das sie absondern werden, und ebenso schon an der nachträglichen reumütigen Entschuldigung. Denn das ist jetzt in, das ist Mainstream, um in die Presse zu kommen und Verkaufszahlen zu erhalten. Das perfekte virale Marketing, kostenlos, aber nicht umsonst.
Da ist nichts spontan, emotional, temperamentvoll, hitzköpfig, das ist wohlüberlegtes Kalkül.
Wird noch etwas anderes bezweckt außer dem gut gefüllten Konto? Liegt da noch ein erzieherischer Gedanke dahinter? Scheint so, denn schließlich wird zur Verteidigung der Meinung zu 99% Gott bemüht und missbraucht, und sehr beliebt sind auch „christliche Werte“, „Familie“ und all so was. Man meint es ja nur gut. (Sagt Putin übrigens auch! Und jeder andere Diktator, die meinen es alle nur gut! … mit sich.)
Fest steht, verändern wird man durch so eine Pressekampagne nichts, aber auch gar nichts. Man bringt die Leute damit nicht mal zum Nachdenken, nur zur Konfrontation, was philosophisch betrachtet schlichtweg Dummfug ist. Und verantwortungslos.
Und solche Leute haben angeblich „etwas zu sagen“, mit Belletristik und Fachbüchern und Essays?
„Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ – Ja, gewiss!
Aber, verdammt nochmal, man MUSS nicht!