Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend. Der Titel sagt schon alles aus. Andreas Altmann wird dieses Jahr 63, und dennoch musste diese verstörende Geschichte aus ihm raus. Kaum zu glauben, wie viel Zorn und Hass nach so vielen Jahrzehnten noch in ihm stecken, obwohl er in seiner unterlegenen Hilflosigkeit sich selbst nie aufgegeben und letztendlich seinem Vater immer die Stirn geboten hat. Die Sprache ist dicht und direkt, schnörkellos und genau auf den Punkt gebracht; so sehr, dass man glaubt, mit dabei zu sein; und dabei hat Altmann noch nicht einmal alles beschrieben und schon gar nicht bis ins Detail. Was zeigt, dass alles noch viel schlimmer gewesen sein muss, und dass jeder Tag so lange wie ein Jahr gewesen sein muss, diese Kindheit zu durchstehen. (Und zu durchhungern, man stelle sich vor – nicht einmal genug zu essen gibt es, obwohl alles in Hülle und Fülle vorhanden ist.) Er hat es durchgestanden, und warum er jetzt erst darüber spricht, hat vermutlich den Grund, dass er zwar sozusagen „abrechnet“, dies aber nunmehr aus einer gewissen Distanz tut. Vor allem aber, denke ich mal, will er den Missbrauch anprangern und in Erweiterung eine Religion, deren weltlicher Träger, die Kirche, all das in Bigotterie und Scheinheiligkeit zulässt. Und nicht nur das: Zu Beginn seiner Schulzeit sind Prügel von Lehrern völlig normal. Aber später dann, als er älter war und die Lehrer angewiesen waren, auf die Schüler einzugehen – da hätte, und nicht nur in der Schule, auffallen müssen, was dem Kind angetan wird (schließlich gab es ja genug Faustschläge ins Gesicht), aber es hat niemanden interessiert. Wäre ja ein Skandal, und „so schlimm wird es schon nicht sein, und vermutlich hat es der Junge nicht anders verdient“. Und so weiter. Man mischt sich da nicht ein, erst recht nicht bei einem derart angesehenen und wichtigen Mann des Ortes, der mit Devotionalien handelt. Altmann erzählt offen über das Trauma seiner Jugend, und ich hoffe, dass er vielen damit helfen kann, selbst zu bewältigen und sich selbst zu befreien, wie es ihm (zumindest zum Teil, ich kann mir nicht vorstellen, dass man so etwas jemals vollständig überwinden kann) gelungen ist. Wichtig ist, und ich denke, das ist Altmanns Botschaft, dass man mit sich selbst Frieden schließt und sich mit sich selbst versöhnt, um ins Reine zu kommen, beziehungsweise die Entscheidung trifft, mit dem anderen niemals versöhnt zu sein, abseits aller religiösen Forderungen. Denn manchmal kann man einfach nicht vergeben, und genau das ist es eben: man muss es auch nicht. Das ist eine ganz persönliche Entscheidung, auf die keine Religion und keine Gesellschaft Einfluss haben darf.