Ein schwarzer Tag

Nicht für die AfD, o nein, im Gegenteil, die wird vermutlich gerade den Mietvertrag für ein Bürohochhaus unterschreiben, so viel Ansturm wird sie erleben.

Bereits 1987 gab es einen ähnlichen Vorfall mit Khomeini, der ebenfalls eine Forderung stellte wie Erdogan, der sogar Diplomaten ausweisen ließ etc pp. Rudi Carrell und seine Familie mussten damals unter Polizeischutz gestellt werden. Die Regierung allerdings, damals Kohl, bezog sofort und eindeutig Stellung: Bei uns in Deutschland darf Satire das.

Und nun? Versucht Merkel es also zuerst wieder mit der Aussitz-Taktik, und als das nichts hilft, muss sie ans Mikro. Tagelang windet und dreht sie sich hin und her, schweigt, schweigt noch länger, berät sich mit Ministern und Juristen und was weiß ich wem – und entscheidet augenscheinlich allein, was zu tun ist, da von der Mit-Regierungspartei sofort öffentlich gemacht wird, dass sie diese Entscheidung nicht gut heißt. Ihre Kanzlerstimme gibt den Ausschlag. Merkel entspricht lieber der Forderung ihres ausländischen Freundes, anstatt sich einmal hinzustellen und zu sagen: „bei uns ist das so!“ und sich vor Böhmermann zu stellen, anstatt ihm einen Fußtritt zu verpassen. (Hier nachzulesen, Zitat „Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ein im ZDF ausgestrahltes und dann wieder gestrichenes Schmähgedicht Jan Böhmermanns über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als „bewusst verletzend“ kritisiert. Das habe sie in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu deutlich gemacht, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.“ (Tagesschau) Sollte das Gericht nicht verurteilen, jo mei, dafür kann sie dann nichts, sie hat alles Nötige getan. Am schlimmsten hallt in mir nach, dass es „keine Vorverurteilung“ sei. Ja, was denn sonst? Vor allem, nachdem sie Kritik geübt hat? Kohl tat es nicht – was also stimmt hier nicht?

Eines frage ich mich sowieso ganz grüblerisch. Wer hat eigentlich diesen § ausgegraben und weitergeleitet? Die meisten befragten Juristen haben zugegeben, keine Ahnung davon gehabt zu haben und mussten erst mal nachlesen. Wäre der § präsent gewesen, hätte man ihn sicherlich schon längst abgeschafft. Also was/wer genau hat denn nun diese Lawine ausgelöst und Erdogan die Handhabe gegeben?

Es geht hier nicht darum, einem anderen Staatsoberhaupt vorzuführen, wie unser Rechtssystem funktioniert. Das weiß der längst. Erdogan hat einen deutschen Anwalt, und genau deswegen hat er diese Lawine überhaupt losgetreten und eine Staatsaffäre daraus gemacht. Weil er genau wusste, dass Merkel klein beigeben wird!
Es geht hier nicht um juristische Spitzfindigkeiten, nicht um abstrakte Technik, ob der das darf oder nicht, ob Judikative und Legislative getrennt sind. Dieser Fall ist POLITISCH, er kann nicht „rein juristisch gesehen …“ betrachtet werden. Erdogan schöpft rechtliche Mittel aus, aber ihm geht es nicht um Recht oder Gerechtigkeit, sondern um politisches Kalkül, wie weit er gehen kann.
Ab dem Moment, in dem Merkel die Staatsanwaltschaft ermächtigt, die Ermittlungen gegen Böhmermann aufzunehmen, hat auch sie politische Stellung bezogen und einer ausländischen Regierung erlaubt, sich in die Angelegenheiten eines anderen Staates einzumischen. Da sie zu keinem Zeitpunkt unsere anderen Gesetze zitiert hat, die unter anderem Satire erlauben, geht es nicht um die Gesetzgebung und die Handhabung damit.
Der hierbei zitierte §103 StGB stammt aus dem 19. Jahrhundert. Nur weil er noch da ist bedeutet das nicht, dass man ihn auch anwenden muss. In §104a steht eindeutig, dass die Regierung ermächtigen kann, es aber nicht muss. In dem Fall also, wenn sie schon nicht öffentlich Stellung beziehen will, hätte Merkel einfach sagen können: Die Ermächtigung erteile ich nicht. Ende der Geschichte. Von Rechtsbeugung könnte in dem Fall keine Rede sein.
Erdogan steht es jederzeit frei, Anzeige zu erstatten und selbst einen Antrag zu stellen. Aber was darüber hinaus geht, hat die Regierung nach dem Grundgesetz, in dem Meinungsfreiheit geregelt wird und ausdrücklich staatliche Zensur verboten ist, keinerlei Handlungsbedarf. Satire ist erlaubt.
Persönlich muss ich sagen, dass ich Böhmermanns Schmähverse unter aller Sau finde, ich hab es lieber intelligent formuliert und subtil, als untere Gürtellinie (um es freundlich zu formulieren). Aber mein persönlicher Geschmack tut nichts zur Sache. Der Böhmermann darf das. So steht’s im Gesetz. Und wenn nicht, dann kann das auch ohne Einschaltung der Regierung gerichtlich festgestellt werden.
Das hat nichts mit der Ermächtigung laut §103 StGB und der dort geregelten Strafe zu tun. Und auch nicht damit, eine Staatsaffäre daraus zu machen und seitens des Betroffenen Forderungen an einen befreundeten Staat zu stellen, anstatt nonchalant darüberzustehen. Neinnein, Erdogan ist unantastbar, nie ein Wort der Kritik ist erlaubt, nicht einmal ein Hauch davon. Nur zu Boden werfen und Stiefel lecken ist erlaubt. Wohlgemerkt haben wir hier jemanden als Regierenden eines angeblich modernen scheindemokratischen Staates, der Menschenwürde mit Füßen tritt, die Pressefreiheit abgeschafft hat, lieber die im Kampf gegen die Terrororganisation Daesh behilflichen Kurden abballert, der Frauen öffentlich verprügeln lässt und kund tut, dass jede Frau in ihrem Leben mindestens drei Kinder zu bekommen habe, jemanden, der von außen betrachtet möglicherweise zusehends an Größenwahn leidet und sein Land ganz offensichtlich in die Diktatur führt.

So jemandem müssen Grenzen gesetzt werden. So jemandem muss vor Augen geführt werden, wie Demokratie funktioniert (und nicht etwa dadurch, dass man neue Wahlen ansetzt, weil man die vorherige verloren hat), und dass man sich nicht alles erlauben kann. Jetzt wäre genau so ein Zeitpunkt gewesen.

Aber Sie, Frau Merkel, haben sich in meinen Augen als rückgratlos und prinzipienlos erwiesen. Sie sind für mich feige und  haben Ihr Land verraten. Und das, obwohl Sie es eigentlich besser wissen müssten. Oder trauern Sie der „DDR“ so sehr nach? Die Toten von Charlie Hebdo werden sich im Grab umdrehen. Und mir dreht sich der Magen um.

Gern können Sie mich jetzt auch anzeigen. Das hier ist nicht mal eine Satire.

Hier noch Links zu Extra 3 (das ist jetzt wieder Satire):

Erdowie, Erdowo, Erdogan; ein Lied, das sehr trefflich die diktatorischen Tendenzen Erdogans aufzeigt

Das Lied war übrigens der Song des Anstoßes, dessentwegen Erdogan den deutschen Botschafter einbestellt hatte, und Böhmermann setzte daraufhin seine Satire.

und: Johannes Schlüter, der Erdogan-Pilot – das bringt einen wenigstens wieder zum Lachen.

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