Nein, ich will das nicht. Diese Hitlermania regt mich auf. Ich finde nicht, dass ein solches Ungeheuer so viel Aufmerksamkeit verdient hat und zum Popstar generieren sollte.
… und dann habe ich es doch getan. Denn dieses Cover an sich ist schon in seiner Schlichtheit so anziehend genial, dass man einfach hingucken muss. Der akkurat geschwungene Scheitel und das Bärtchen, das zusammen bildet den Grundstein einer perfekten Karikatur, die tatsächlich auf wenige Striche reduziert werden kann. Jeder weiß sofort, wer gemeint ist, es kann nur einen geben, unverwechselbar. Den Buchtitel auf die Form des Bärtchens zu schneiden, ja, da passt einfach schon mal alles. Dieses Cover ist der große Wurf!
Und dann geht es los mit dem Text, und schon die ersten drei Seiten sind zum Brüllen komisch. Hitler und wie er Deutschland sieht; es ist schon ein bissl kühn, ausgerechnet ihn als Ich-Erzähler zu nehmen, aber es funktioniert. Und wie! Es ist nachvollziehbar, es ist glaubhaft, es ist komisch – und es ist tragisch. Am besten gefällt mir, wie er zum ersten Mal fernsieht, da habe ich mich bald weggeschmissen. Danach dann, ja, bleibt einem immer mal das Lachen im Halse stecken. Und zwar immer mehr, je weiter die Geschichte voranschreitet (besonders krass ist die Szene mit der Oma seiner Sekretärin – da wurde mir ganz anders) und sich schließlich dem Ende mit einem erschreckenden letzten Absatz nähert – der an sich positiv stimmen könnte, wenn … tja, mit ihm kann es eben kein Happyend geben. Selbst wenn es hier vorgeführt wird. Da hatte ich dann doch einen Kloß im Hals.
Vermes gelingt es tatsächlich, Hitler trotz der Ich-Erzählung niemals als „guten Menschen“ darzustellen. Zu keinem Moment vergisst man, wen man da vor sich hat. Vor allem entwickelt Adolf sich nicht weiter oder ändert sich gar, weil er durch das heutige Leben kontaminiert wird, sondern er erkennt mit scharfem Blick jeden noch so kleinen Missstand und legt den Daumen drauf. Er hat recht mit seiner schonungslosen Kritik, und er hat nichts an Bösartigkeit und Kompromisslosigkeit, vor allem Strebsamkeit verloren, wie er seine Ziele verfolgen will. So humorvoll es geschrieben sein mag, so grandios der Querzug durch die deutschen Parteien gelungen ist (allein schon wie er die NPD aufsucht und fertig macht in ihrem kleinen Haus) … das Lachen will nicht mehr recht gelingen – denn es ist gar nicht lustig: wegen der Reaktion der Umwelt auf ihn. Weil er die Wahrheit treffend sagt, gelingt ihm ein neuer Aufstieg, und dazu braucht er die Politik vorerst gar nicht. Er kann auch anders Einfluss nehmen. Und ihm wird alles gewährt, weil man sich weigert, ihn ernst zu nehmen.
Und das ist dumm, denn das war schließlich schon einmal der Fall gewesen.
Es spielt schließlich keine Rolle, ob der Mann nun tatsächlich durch einen Zeitsprung in der heutigen Gegenwart gelandet ist oder sich nur für Hitler hält und das zu 100% durchzieht. Seine Ansichten und Einsichten sind es, die man ernst nehmen muss, die kein Spaß sind.
Timur Vermes führt vor, wie einfältig die Menschen sind, und dass sie nichts gelernt haben. Im Gegenteil.
Das Buch läuft ab wie ein Film, durch diese großartige, ausgefeilte und anspruchsvolle Sprache, die niemals übertreibt und gut lesbar und flüssig bleibt, ohne jemals den hochintellektuellen Zeigefinger zu erheben. Ein Kunstwerk als Pageturner, inhaltlich nach der letzten Seite allerdings schwer verdaulich und (hoffentlich) zum Nachdenken anregend. Es sollte etwas hängen bleiben. Es muss ernst genommen werden.
Zusammen mit dem „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ mein absolutes Buch-Highlight des (nunmehr vergangenen) Jahres 2012.