Harry Potter 7

So, da ist er also, der letzte Band. Ein Actionkracher, zu 90% durchsetzt von Blut, Gemetzel, Mord und Folter, annähernd 760 Seiten lang. Voldemort als völlig eindimensionaler Bösewicht, der alles grausam ummäht, was ihm zu nahe kommt, selbst wenn es die eigenen Leute sind. (Damit wir wissen, dass er böse ist, sonst hätten wir das nicht kapiert.) Kann mir jemand verraten, wieso er so viele Anhänger hat? Er bietet ihnen nichts außer einem gewaltsamen Tod. Belohnung hat noch keiner erhalten, und es wird auch keine in Aussicht gestellt. Die übrigen erwachsenen Hexen und Zauberer sind alle blöd wie Brot, sie lassen sich wehrlos das Zaubereiministerium wegnehmen, arbeiten dort aber weiter und setzen sich nicht mit Magie zur Wehr, wenn sie „unter Anklage“ gestellt werden, keine Reinblütigen zu sein. Alles, was sie können, ist heulen und zähneklappern, und zwar jeder Einzelne von ihnen. Harry, Ron und Hermine hetzen von einem Versteck zum nächsten, um Dumbledores letzten Auftrag zu erfüllen, der sich in Band 6 natürlich in kryptische Worte gehüllt hatte, weil es ja sonst zu einfach und Band 7 nicht notwendig wäre. Dabei geht es um Dumbies eigene Vergangenheit und das, hinter dem Voldemort tatsächlich her ist (na klar, sonst hätten wir in diesem letzten Band ja überhaupt kein Ziel – und natürlich erfahren wir erst jetzt ca. in der Mitte des Bandes davon, nachdem vorher nichts angefangen und bis hierher geführt hat).
Die Handlung ist völlig konstruiert. Hermine hat ein Abendtäschchen dabei, in das alles hineinpasst, was man auf einer Flucht braucht, und passenderweise zieht sie im rechten Moment immer genau das heraus, was gerade gebraucht wird. (Normalerweise zieht man sowas aus dem Hut, aber vielleicht hat da jemand Disney’s „Merlin und Mim“ gesehen.) Nur was zu essen ist nicht drin, und die drei Jungzauberer sind zu dämlich, sich selbiges zu besorgen. Und zwar deswegen, damit leser Mitleid mit den armen frierenden, hungrigen Flüchtlingen hat.
Wenn Harry nicht mehr weiter weiß, passiert pünktlich etwas, das ihm auf den Weg hilft. Das führt so weit, dass sich „zufällig“ an seinem Versteck „zufällig“ verschiedene Flüchtlinge aus verschiedenen Richtungen treffen, die genau das wissen, was Harry weiterbringen muss, und sich genau und exakt darüber unterhalten, weil er ja beim heimlich Lauschen die Fragen nicht selber stellen kann. Danach, wenn alle Informationen verlautbart sind, gehen alle wieder friedlich ihrer Flüchtlings-Wege. Ganz klar, so was passiert jeden Tag, und England ist eh nicht größer als eine Hutschachtel oder Hermines schickes Täschchen. Da kann es schon passieren, dass sich alle am selben Fleck treffen, zum passenden Zeitpunkt, auch wenn nichts ausgemacht war.
Natürlich müssen sich auch die Freunde zerstreiten, sonst hätten wir ja gar keinen Tiefgang mehr. Also raus mit den Taschentüchern!
Harry übernimmt in diesem Band zwar zum ersten Mal die Initiative und agiert selbst, anstatt immer nur zu reagieren, aber man sollte meinen, nach all dem, was er in den vergangenen 6 Jahren durchgemacht hat, dass er sehr viel reifer, erfahrener und ernsthafter wäre als normale 17jährige. Harry jedoch benimmt sich weiterhin wie ein pickliger, pubertierender, bockiger Teenager und stolpert seinen Weg blind dahin, bis der konstruierte Zufall ihm ein Licht spendet. Natürlich nur peu à peu, sonst wäre es ja langweilig. Und damit wir das Drama nicht vergessen, sterben zwischendurch nach rasanter Action wieder ein paar auf ziemlich unschöne Weise oder werden verstümmelt.

Stark negativ auffallend ist der veränderte Stil. Da ich das Original nicht gelesen habe, weiß ich nicht, ob das nur an der Übersetzung liegt. Fest steht allerdings, dass Klaus Fritz und Lektor wohl nur wenige Tage Zeit zur Bearbeitung hatten, denn die Übersetzung ist katastrophal schlecht. Bereits auf S. 1 fängt es an: „… dessen grobe Gesichtszüge immer wieder nicht zu sehen waren“, und so zieht es sich durch das ganze Buch. Deutsch ist das jedenfalls nicht. Absolut nervtötend ist das ständige „Jaah“, das auf nahezu jeder Seite mindestens dreimal vorkommt. Mag sein, dass das englische „Yeah“ auch so oft vorkommt, aber hier ist es inflationär und passt nicht. Schluder ohne Ende, aber das mag hoffentlich nur an der zu kurzen Bearbeitungszeit liegen. Was keine Entschuldigung ist.
Fazit: Was in Band 6 schwach angefangen hat, hat in Band 7 stark nachgelassen. Ohne Witz, Charme, Esprit und Verstand, ein hirn- und sinnloser Actionreißer à la Klein-Rambo. Die Zauberer stellen sich als ganz normale Menschen oder noch dümmer dar, und was Voldemort betrifft, so hatte selbst Saurons Auge noch mehr Charakter und Gruseleffekt. Das ist keine fremde Welt mehr, die einen in ihren Bann zieht, die Liebenswürdigkeit und Dramaturgie enthält, Charakterisierung und Originalität. 760 Seiten Auflösung – so etwas anzubieten, das ist ein starkes Stück, das sich nur ein Bestseller-Autor leisten kann.
Band 6 und 7 auf 600 Seiten zusammengefasst, und es hätte ein furioses Finale gegeben.
So aber bleibt nur: Gottseidank, dass es vorbei ist.

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