Lecktorat? Wohzu brauch iich ein Läktorrat?

30 01 2016

Ging es vor ein paar Tagen noch um erfolgreiche Self Publisher, die ungeniert ganze Romane als ihre eigenen ausgegeben haben, geht es heute um ein Thema, das ebenfalls immer wieder mal hochschwappt. Einige Autoren (m/w, spielt keine Rolle) verkünden gerade vollmundig in ihren Blogs und den Sozialmedien, dass sie kein Lektorat brauchen, weil ihre Texte auch so gut sind, und weil ihre Testleser diese toll finden. Ich hab’s nicht nachgeprüft, aber ich behaupte jetzt einfach mal, dass es sich hierbei durchgehend um Self Publisher handelt, denn kein Verlag publiziert einen unlektorierten Text. Er veröffentlicht vielleicht einen schlecht lektorierten Text, aber egal wie man das beurteilen mag: Es sitzen immer mehrere Personen dran, bevor ein Text in Druck geht. Zuerst der Lektor, dann der Korrektor, und dazwischen oder davor möglicherweise auch noch ein Redakteur, der das Ganze koordiniert. Zum Schluss schaut der Autor nochmal seine Satzfahnen durch auf letzte Tippfehler.
D.h. also, ein Autor, der sich dem Lektorat verweigert, kann nur ein Self Publisher sein. Schaden solche Äußerungen dem Ruf der Self Publisher? Und wie. Denn damit wird die Unprofessionalität zugegeben. Natürlich kann es auch unlektoriert einen Erfolg geben, aber auch die begeisterten Leser legen sehr wohl den Finger auf zu viele Stil- und Rechtschreibschwächen und Logikbugs im Text und fordern zur Korrektur auf. Und nicht selten kommen erfolgreich gewordene Autoren, insofern sie nicht einen Vertrag bei einem Verlag unterschreiben, dieser Aufforderung auch gern nach.
Es ist schade, denn ich habe mich ja schon mehrmals positiv zu den SP-Möglichkeiten durch den eBook-Markt geäußert, dass eben gute Bücher, die von Verlagen abgelehnt werden, so doch noch zum Erfolg kommen können. Aber wenn ich von „pauschaler Verherrlichung“ des Lektorats und ähnliches lesen muss, wirft das eine Menge Schatten auf meine positive Meinung.

Die Frage, die sich zuallererst stellt ist folgende: Was treibt einen Autor dazu, sich öffentlich darüber zu mokieren, zu schreiben, er brauche das nicht, weil seine Texte nachweislich so gut seien, und wer anderer Meinung sei, der könne ihm sonstwohin?
Kein Autor wird zum Lektorat gezwungen (es sei denn, er unterschreibt bei einem Verlag). Niemand hindert ihn, seine Texte so wie sie sind, zu publizieren. Warum muss man laut darüber tönen? Warum sich deswegen rechtfertigen? Denn: Wenn es stimmt, dass die Texte so gut sind, besteht doch kein Grund, darüber zu reden. Gute Bewertungen, Konto füllt sich, alles gut.
Oder ist das etwa gar nicht so? Hat es etwa Kritik gegeben? Reagiert man empfindlich darauf, dass jemand sagt: „Na ja, also das hätte aber deswegen besser gemacht werden können…“ Oder verlangt es einen nach Beachtung, weil die Bücher nicht gut laufen?

Was auch immer der Grund für diese Zurschaustellung sein mag, es ist der falsche Weg. Sicherlich – ein Lektorat kostet Geld. Und es ist nicht einfach, einen seriösen und kompetenten Lektor zu finden. Das ist zudem eine große Vertrauenssache. Gute Verlage suchen deshalb für den jeweiligen Autor den passenden Lektor heraus. Aber es geht nicht um „der Lektor ist inkompetent/zu teuer, und deswegen brauche ich kein Lektorat“, sondern es geht um das Lektorat per se. Darum, dass jedem Werk ein Blick von außen gut tut, am besten von professioneller Seite.

Als Autor hat man einen Tunnelblick, und zwar auf Inhalt und Stil. (Grammatik/Rechtschreibung lassen wir beiseite, wenigstens ein Papyrus-Korrektorat sollte jeder Autor in Anspruch nehmen.) Bleiben wir bei Inhalt und Stil. Da gibt es Schachtelsätze und verschwurbelte Aussagen. Da gibt es Gefasel und Tell no Show, da gibt es Vergaloppieren und Verschenken guter Szenen. Da vertut man sich mit der Beschreibung von Charakteren, da vertut man sich inhaltlich, indem Zusammenhänge nicht stimmen, man sich selbst widerspricht.

Ein kompetenter Lektor kann ein gutes Buch nur besser machen. Er zeigt die Schwächen auf, zeigt, wo die Fehler liegen, er ist der professionelle Leser. Natürlich kann es passieren, dass man mit dem Lektor nicht zurechtkommt – das habe ich auch schon mehr als einmal erlebt und könnte ein Anekdotenbuch drüber schreiben, das kann sogar bis zum wahren „Massaker“ am Werk geraten. Trotzdem: Selbst dadurch lernt man, und zwar in dem Fall, was keinesfalls geht. Am Ende muss immer noch der Autor mit dem Ergebnis zufrieden sein, er muss nicht jede Anregung annehmen, und selbstverständlich ist auch kein Lektor perfekt. Es gibt Lektoren, die grundsätzlich alles korrigieren, es gibt Lektoren, die sich selbst verewigen wollen, weil sie sich als missverstandene Autoren fühlen, es gibt Lektoren, die mit dem Text nichts anfangen können und dann einfach was draus machen, was ihnen besser gefällt. Doch egal wie: am Ende hat man als Autor immer etwas dazu gelernt und das führt zur Weiterentwicklung. Schließlich will man als Autor sich doch weiterentwickeln, besser werden?

Ein Autor, der veröffentlicht, ob nun als Selbst-Verleger oder bei einem anderen Verlag, ist immer auch ein Unternehmer, der marktwirtschaftlich orientiert arbeiten muss. Jedes Unternehmen muss qualitativ gute Arbeit liefern. Dabei beziehe ich mich auf das Handwerk, die Erzählung selbst kann immer noch „schlecht“ sein in dem Sinne, dass sie keiner mag. Trotzdem muss die handwerkliche Qualität stimmen. Das ist schließlich auch wichtig für die Reputation des Autors, der weiterkommen will, und zwar eines Tages auf die Bestsellerlisten. Davon träumen wir doch, oder? Das klappt aber nur, indem man sich Vorschläge anderer anhört, indem man erkennt, was dem Leser besonders zusagt an den eigenen Werken. Das verlangt keine Selbstaufgabe, bei weitem nicht. Wie gesagt, man muss nicht alles annehmen, es muss auch nicht alles stimmen. Und wenn einem fünf treue Leser genügen, ist das auch in Ordnung. Jedoch muss man auf dem Boden der Tatsachen bleiben und nicht beleidigt knatschen, um Unzulänglichkeiten zu kaschieren.

Wer sich auf „Dichter und Denker“ beruft und der Ansicht ist, „Kunst ist unantastbar“, der möge bitte nur für sich selbst schreiben und sich daran delektieren. Vergessen wir solche Angst vor der Kritik ganz schnell. Das zeigt doch nur, wie unsicher man in Wirklichkeit ist. Oder man ist unfähig zur Reflexion und Selbstkritik. Selbst ein Herr Goethe wurde von Herrn Schiller lektoriert (und auch hart kritisiert), und selbst ein Herr Goethe musste sich schon fragen lassen, warum er nicht mal so schreiben könne wie der Herr Vulpius – also nicht so verkopft.

Es geht immer nur um das Eine, und so beginne ich jedes meiner Schreibseminare: Für wen schreibe ich? Für mich – ganz klar, dann ist meine Kunst die größte und unantastbar. Für die Leser? Dann, lieber Autor, harrt deiner harte Arbeit und die Kunst des Handwerks und wie man zum Meister wird. Unter anderem mit dem Lektorat.


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