Lidls blaue Augen

Mein ganz besonderes Mitleid diese Woche gilt dem armen, armen Großdiscounter Lidl, der gegen seinen Willen Mitarbeiter bespitzelt hat. Klar, dass die Detektive, die ca. 5000 Euro pro Auftrag verlangen, auf eigene Kappe gehandelt haben, das machen die einfach so! Und ganz klar, dass die Kameras sich aus Versehen installiert haben, das hat keiner gewusst oder gar getan, und schon gar nicht mit Auftrag oder gegen Bezahlung. Also wirklich! Kann man diese verfolgten Billigheimer nicht endlich mal in Ruhe lassen? Sie tun doch so viel Gutes für die Menschheit. Schikanieren und mobben die Mitarbeiter, bezahlen sie weit unter Tarif, Überstunden sind sowieso inbegriffen, und verhindern jegliche Gründung eines gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsrats. 80 Millionen Euro Verlust durch Diebstahl? Ja und? Ist das ein Wunder, wenn Märkte mit 300 m² mit nur einem einzigen Mitarbeiter besetzt sind, der gleichzeitig kassieren, einräumen, putzen und Kunden beobachten soll? Um einen Mitarbeiter loszuwerden, wird er nicht nur illegal kameraüberwacht, sondern dem unmittelbaren Vorgesetzten wird nahegelegt, ihm etwas in die Tasche zu stecken, nach Geschäftsschluss Taschenkontrollen zu machen und dann wegen Diebstahls fristlos rauszupfeffern. Spart Abfindung und ordentliche Kündigungsfrist. Wie, das erfinde ich? Klar. Lidl hat ja beteuert, nichts von der Bespitzelung gewusst zu haben, und das glaube ich. Ich habe volles Vertrauen! Wirklich! Ich erfinde auch, dass Lidl lediglich als Paradebeispiel steht, denn alle Discounter tun das. Teilweise so dilettantisch, dass der Mitarbeiter anhand der unsachgemäß wiederbefestigten Deckenplatten sieht, wo die Kamera „versteckt“ war. Der Kunde übrigens auch.

Allerdings frage ich mich, was dieser Schwachsinn seitens der Grünen soll, zum Boykott aufzurufen. Was hilft das denn den betroffenen Mitarbeitern des Handels, außer dass es wegen geringeren Umsatzes zu weiteren Stellenstreichungen kommt? Das hat doch nichts mit Solidarität zu tun. Der Kunde ist schließlich nicht davon betroffen*, was da intern abläuft, und es ist auch nicht seine Sache, maßregelnd einzugreifen. (Oder sind wir nunmehr alle bei der Stasi? Schulmeister mit wedelndem Lineal?) Es ist Sache des Gesetzgebers, da einzuschreiten, auf Einhaltung der Vorschriften zu achten und empfindliche Strafen bei Verstößen zu erheben! Das bessert nicht nur das Steuersäckel auf, was ich in dem Fall völlig vergönne, sondern nimmt bei drastischer Erhöhung und genauer Beobachtung vielleicht wirklich einmal den Wind aus den Segeln und ändert das Firmenverhalten. Ausnahmsweise mal hat die CSU recht. Liebe Grüne, kommt endlich mal von eurem Studentendemo-Niveau runter, ruft nicht immer zu irgendwelchen schwachsinnigen Aktionen auf, sondern unternehmt etwas! Ergreift Maßnahmen, macht Verbesserungsvorschläge, erweist euch als Vertreter des Volkes und nicht als die üblichen Petzen und mit dem Zeigefinger wedelnden Dauernörgler, die sich gierig auf jeden neuen Skandal stürzen, um sich wichtig zu machen, aber sonst nur aus Dampf und Dunst bestehen. Ihr seid doch auch nicht besser als die Discounter.

*Durch einen Umstand ist der Kunde allerdings schon betroffen, wie ich gerade aufmerksam gemacht wurde, daran habe ich in meinem Eifer nicht gedacht: In der Hinsicht, wenn er selbst bespitzelt wird – und selbst, wenn es legal geschieht, durch Hinweise beim Ladeneingang „Hier wird videoüberwacht“ (ja, dieses Zitat ist als Hommage an ein diesbezügliches Kabarettstückchen von Leo Lukas beabsichtigt!) – wenn er nämlich an der Kasse die Geheimnummer seiner ec-Karte eingibt. Entspricht das den Absicherungsregeln der Banken, sich niemals in die Zahlen gucken zu lassen, andernfalls man grob fahrlässig selbst schuld ist am leergeräumten Konto? Und wie ist das eigentlich: Was macht Herr Discounter denn mit den Aufzeichnungen? Wer sieht die alles? Wo werden die gelagert? Wie lange werden die gelagert?
Ich glaube aber, darauf bezieht sich der Boykott-Aufruf der Grünen nicht, und deswegen habe ich an diese Variante gar nicht gedacht. Und es würde auch nichts an der Überwachung ändern, die durch entsprechende deutliche Hinweise legalisiert wird. Bedeutungsvoll für den Kunden ist es lediglich, dass er die Geheimzahl nur noch ganz, ganz versteckt eingeben sollte.

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