Reiselektüre

Ich habe ja nur sehr wenig Zeit zum Lesen, doch tatsächlich in den letzten Wochen nunmehr vier Bücher geschafft, zwei davon bedingt durch eine Erkältung. Zwei Titel stelle ich hier zusammengefasst wor, die anderen beiden Bücher einzeln.

Graham Greene, Die Reisen mit meiner Tante
Greene kann schön erzählen, keine Frage, ich habe ihn in den 70er Jahren sehr gern gelesen. Hier stellt er auf (echten) 356 Seiten ein vergnügliches, unterhaltsames Roadmovie vor, das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, 1969, in jedem Fall innovativ und sprachlich „rotzfrech“ war. Aber genau wie beim „Fänger im Roggen“ hat sich das Buch selbst überlebt. Diese Geschichte amüsiert im Hinblick auf ihre heutzutage altbackene Harmlosigkeit. Der brave pensionierte Bankbeamte, dessen aufregendstes Erlebnis eine Neuzüchtung seiner Dahlien ist, und dessen ausgeflippte alte Tante ihn aus dieser englischen Vorgartenbescheidenheit reißt … ja, das ist schon nett, aber heutzutage ein alter Hut. Vor allem, weil die Geschichte völlig vorhersehbar ist und die Reisegeschichten relativ wenig Pfiff aufweisen. Sie sind brav. Eine witzige Idee ist, dass unser Held statt der Asche seiner Mutter eine Urne voll Dope bekommt, doch das ist schon das Kühnste und Aufregendste der ganzen Story. Die Dialoge sind teils sehr gelungen pointiert, teils hölzern. Das kann Greene sonst besser, wenn es um ernste Texte geht. Es liest sich gut und schnell und macht Spaß, aber nur in nostalgischer Hinsicht. Trotzdem freut es mich, dass auch solche Literatur heutzutage noch zu finden ist.
Die Taschenbuchausgabe von DTV wurde aktuell neu herausgegeben – leider ohne Korrektorat. So muss man sich durch die mittlerweile ungewohnte alte Rechtschreibung quälen und ärgert sich über eine Menge mitgeschleppter Druckfehler, die bei einer Neuausgabe zu vermeiden gewesen wären.

Tommy Jaud, Hummeldumm
Noch ein humorvolles Roadmovie, und diesmal modern. Jaud berichtet über seine Afrikareise in fiktiver Abhandlung, doch wer schon mit Reisegruppen unterwegs war weiß, dass er vermutlich nicht viel dazu erfinden oder ändern musste. Das Originelle daran ist, dass der Ich-Erzähler sich im denkbar schlechtesten Bild präsentiert. Er ist übellaunig, ewig nörgelnd, nur auf sich konzentriert, und will partout nicht, dass ihm etwas gefällt. Dadurch gerät er in glaubwürdige skurrile Situationen, die er alle selbst verschuldet, aber jedes Mal das Glück hat, mit heiler Haut davonzukommen. Chapeau vor seiner Freundin, die diesen Miesepeter erträgt. Die relativ kurze Geschichte ist in diesem wirklich hässlich aufgemachten Buch (keine Zierde fürs Regal, lieber zum eBook greifen) technisch auf 300 Seiten aufgeblasen worden, mit vielen Vakat-Seiten und großem Durchschuss, dazu viel Platz im (unschönen) Satzspiegel; gehen wir also großzügig davon aus, dass es ca. 200 echte Seiten sind. Macht ja nichts, lieber so, als dass die Geschichte unnötig aufgeblasen wird – abgesehen davon, dass man dadurch erheblich mehr Geld hinblättern muss. Ich nörgle sonst nie am Buchpreis, bin schließlich selbst Verlegerin, aber das hier ist nomen est omen des Scherz Verlags.
Das Tempo ist enorm, es geht flott voran; so sehr, dass ich mir tatsächlich zwischendrin ein kleines Innehalten gewünscht hätte. Beispielsweise um ein bissl mehr über das von ihm bereiste Afrika zu erfahren. Es sind zwei oder drei sprachliche Highlights zu finden, ansonsten ist der Stil ziemlich schlicht bzw. zu umgangssprachlich (das fängt schon mit dem albernen „Das Roman“ auf dem Cover an, was ich niemals hätte durchgehen lassen), was bei mir einen insgesamt recht oberflächlichen Eindruck der inhaltlich ohnehin schlichten Geschichte erweckt. Mehr charakterliche Tiefe hätte nicht geschadet, die fehlt mir hier, trotz der Szene „verlassen in der Wüste“, die zu den Besten des Buches gehört, aber nicht ausreicht. Fürs TV gut geeignet (da würde es sicher gute Lacher geben), ist es mir persönlich als Literatur doch zu anspruchslos und nur als seichte Urlaubslektüre zwischendurch geeignet. Kann bei weitem nicht an das überaus gelungene Maria, ihm schmeckt’s nicht von Jan Weiler heranreichen. Nicht so sehr mein Fall, mein Gehirn war unterfüttert und hat danach umgehend nach „mehr“ verlangt.

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