Soll ich … oder nicht?

Schwierige Entscheidung. Aber da ich bereits tippe, ist wohl klar, wie sie ausgefallen ist. Obwohl ich mir immer noch nicht sicher bin, dass ich das Richtige tue. Denn: Je mehr über eine Sache gesprochen wird, desto garantierter wird sie Umsatz erzielen. Und nur um den geht es hier doch, gell? Ich spreche von einem angeblichen Military-SF-Machwerk, das gerade die Gemüter erhitzt und aktuell das Netz erglühen lässt. „Stahlfront“ heißt es. Ja, lieber unbescholtener Leser meines Blogs, nicht erschrecken! Es heißt wirklich so. Aber ich kann dich beruhigen, lieber Leser meines Blogs: Es spielt erst 2010. Hat also nichts mit der Vergangenheit zu tun sondern ist Science Fiction. Angeblich. Na ja, mal abgesehen davon, dass unser deutscher Held groß, blond, blauäugig, muskulös und (wörtlich) ein „echter Arier“ ist, der sich (wörtlich) „unwohl unter lauter dunkelhäutigen Gestalten“ fühlt (die aber durchwegs alle viel kleiner, schwächer, dünner und hässlicher sind als er, und ungebildet noch dazu, und sie können nicht mal Turkdeutsch). Des Helden kurzzeitige Gegenspieler zum Einstieg sind zwar Deutsche, aber natürlich auch winzig (nur 1,72 m, = „klein“ im Text), dick und doof (und damit Polizisten, was auch sonst) und sofort von seinem „markanten Kinn“ (sic!) und dem „harten Blick seiner stahlblauen Augen eingeschüchtert“ (sic!). Natürlich heißt der hünenhafte teutsche Held mit Vornamen Magnus, und er beschützt zwar wohl gern Frauen (indem er Jugendliche kastriert), aber: (Textauszug aus einer Leseprobe) „Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Aysche Demirel zu ertragen. Von ihr begeistert sein musste er nicht. Sobald er nur an sie dachte, hatte er ihre riesige Nase vor Augen. Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Es war kein Wunder, dass Dinge wie Schleier und Burka in dem Kulturkreis erfunden worden waren, dem Demirel entstammte.“
Man kann sich hier nur wundern über den grenzenlosen Mut, seitens des Verlegers Hansjoachim Bernt vom Unitall Verlag der Schweiz, dem auch der deutsche HJB Shop und Verlag gehört, sowie des Lektors (der wohl im Schlafen sein Geld verdient), und der (angeblichen, weil vermutlich nicht existierenden) Übersetzerin (ich frage mich, welche Frau sowas übersetzt), sowie des Schreiberlings, so viel menschenverachtenden Mist in einem Satz unterzubringen, der die Gedanken des Protagonisten widerspiegelt: rassistisch, diskriminierend, frauenfeindlich, sexistisch. Na ja gut, faschistisch ist hier ausnahmsweise nicht zu finden, also seien wir großzügig. Gemeint ist dieser Absatz sicherlich ironisch-lustig, denn schließlich hat unser strammer Held ein schmieriges … ähm sorry, nur ein „Grinsen“ auf seinem Gesicht.
In diesem einen Absatz spiegelt sich die gesamte Geisteshaltung des Machwerks, hinter der augenscheinlich nicht nur der anonyme (feige) Schreiberling steht. Der Schreiberling hält sich dabei immerhin konsequent an einen Schulaufsatzstil, der an Klischees und Plattheiten in jedem Satz kaum zu überbieten ist. Der Verlag selbst setzt sich auf den Gipfel der Peinlichkeit, indem er – nach eigener Aussage – seine angebliche Übersetzerin die Beschreibung eines Raumschiffs einer Serie, die HJB herausbringt, als Product Placement hineinschreiben lässt, und eine Biographie des amerikanischen Schreibers ins Netz stellt, die aus Einfallslosigkeit und Naivität gestrickt wurde. Autorenname: Torn Chaines, klar, so heißt ja jeder. Ach so, ein Pseudonym, bin ich dumm … Der Mann versteckt sich in einer amerikanischen Blockhütte und kennt sich in den Straßen von Berlin aus (zumindest kennt er einige Straßen, ob die aneinander grenzen, weiß ich als bayerischer Provinzler nicht). Ja, er schreibt nämlich nicht über Rassenprobleme in USA, sondern über die in Deutschland, Berlin! Klar, da kennt er sich als Amerikaner schließlich besser aus als in seiner Heimat. Und die Deutschen findet er sowieso viel toller als die Amerikaner, wie jeder gute patriotische Amerikaner es tut.
So etwas besitzt die Glaubwürdigkeit einer Regierungsankündigung, die Diäten der Abgeordneten senken zu wollen! Möge ich wohlwollend, solange ich noch nicht mehr darüber weiß, nur die Biographie betrachten, so kann sie als Ironiespitze auf die 50er Jahre anerkannt werden. Auch beim Hintergrund: „Wir schreiben das Jahr 2010. Eine Verschwörung ungeahnten Ausmaßes zeigt ihre böse Fratze – und der amerikanisch-chinesische Krieg bricht aus.“, musste ich noch schmunzeln, denn so ungeschickt ausgedrückt kann es doch ein professioneller Verlag nicht ernst meinen. Aber dann – das böse Erwachen: (Textauszug aus einer Leseprobe): „Der amerikanische Bomberpilot Mike McBain erhält den Auftrag, mit seiner B-2 eine Neutronenbombe über Schanghai abzuwerfen. Das gelingt, doch die Chinesen leisten erbitterten Widerstand, beschädigen seine Maschine schwer und töten seine Kopiloten. Mike wäre verloren, tauchten nicht plötzlich unbekannte kleine Jagdflugzeuge von enormer Leistungsfähigkeit auf und böten ihm Geleitschutz…“ Da sind mal eben 10 Millionen oder mehr Zivilisten futsch, und der reuelose Massenmörder sorgt sich um seine Gesundheit, weil die Überlebenden auch noch Widerstand leisten! Soll ich dafür Verständnis haben? Aber sicher. Der arme Mann hat schließlich nur auf Befehl gehandelt, was kann er denn dafür? Gute Identifikationsfigur …
Um wenigstens noch oberflächlich den Anschein von SF zu wahren, werden Aliens in die Story gepresst, die an dieser Stelle auf geschickte Weise eingeführt werden. „He, du amoralischer, grenzenlos verdammenswerter Massenmörder, der mit dem Eintritt ins Militär sein Gehirn an der Garderobe abgegeben hat – genau einen wie dich brauchen wir zur Eroberung der Erde! Folge unseren Schiffen, und du wirst künftig in Blut nur so baden können. Hähähähä.“ (Das ist jetzt mein eigenes Zitat.)
Um auf den Titel zurückzukommen: Also gut, ich habe. Kopfschüttelnd. Fassungslos. Verständnislos. Ratlos.

 

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