Und es ist eben doch kein Sieg

Natürlich sind die Meinungen gespalten, sogar deutsche Zeitungen (sic!) halten die Entscheidung Merkels für gut und richtig. Noch einmal: es geht hier nicht um juristische Korrektheit und auch nicht um den Rechtsstaat. Es soweit kommen zu lassen, dass der Staat die Staatsanwaltschaft dazu ermächtigt, gegen einen ihrer Bürger Klage zu erheben, schließt die Trennung von Staat und Recht aus! Noch dazu ist es blanker Hohn zu sagen: „Also dieser Paragraf ist ja wohl total retro, den schaffen wir jetzt ab, den brauchen wir nicht mehr – aber vorher wenden wir ihn übrigens noch mal an!“, das führt doch schon alles ad absurdum! Nein, das ist kein Sieg, das kann kein Sieg sein, ganz im Gegenteil sogar.
Es ist nicht so, dass Erdogan mit dieser Entscheidung gezeigt wird, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist, denn er hat ja erreicht, was er wollte: es wird Klage erhoben! Seine Privatklage wäre ja womöglich abgewiesen worden, aber nun wird tatsächlich gerichtlich geklärt, was ein Satiriker sagen darf.
Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, ob Böhmermann verurteilt wird oder nicht (und das wird er, daran zweifle ich keine Sekunde), sondern es genügt schon, dass ein ausländisches Staatsoberhaupt sagt: Der in Deutschland darf so nicht über mich reden, klagt ihn an, verbietet ihm den Mund!
Und Deutschland gehorcht.
Ist das nun Fakt oder nicht? Wie kann man das anders auslegen?
Wir mit unseren unterschiedlichen Meinungen darüber werfen uns gegenseitig vor, nicht zu verstehen. Aber was bitte verstehe ich denn daran nicht?

Vielleicht finde ich ja nicht die richtigen Worte. Und ich bin ja auch nicht wirklich betroffen, bin ja Deutsche und keine Journalistin. Aber wie sieht es denn im Ausland aus? Das Ausland schüttelt seinen jeweiligen Kopf über uns. Kann in der Tat nicht verstehen, was Merkel dazu bewogen hat, einen Paragrafen, den sie abschaffen will, zum Schluss noch einmal anzuwenden, ohne dass eine Notwendigkeit dafür bestanden hätte.

Aber gehen wir doch mal dorthin, wo der Verursacher dieses Zwistes sitzt: die Türkei. Was sagen denn die Journalisten dort? Denn genau die sollten die Entscheidung eigentlich richtig verstehen, oder? Die wissen, was daraus entstehen wird.

Und was sagen sie? Die Journalisten sind entsetzt. Sie befürchten, dass von nun an bei ihnen alles noch viel schlimmer wird. Erdogan schafft es, dem Ausland den Mund zu verbieten – nun wird er im Inland überhaupt keine Grenzen mehr kennen. Unter Journalisten schürt die Entscheidung die Sorge vor mehr Unterdrückung.

Wer das aus berufenem Munde von Betroffenen immer noch nicht verstehen kann und weiterhin Merkels Sieg feiert, ganz ehrlich, dem ist nicht mehr zu helfen.

 

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