Wenn so viele gehen …

Oft häuft es sich zu Jahresanfang, dass Leute sterben, die ich kannte. Leider ist es so, je älter man wird, desto mehr Todesfälle gibt es im eigenen Umfeld. Meistens familiär – was bei mir wegfällt -, dann im Freundeskreis. Bei mir kommt noch mein Arbeitsumfeld dazu. Die vielen KollegInnen, die vielen Fans und Leser, das ist nach der langen Zeit schon breit gefächert.

Erst vor wenigen Tagen hat sich Autorenkollege Thorsten Scherer davongemacht. Lange hat er gegen das große K gekämpft und verloren, doch er hatte nie aufgegeben und gleichzeitig noch vielen anderen Mut gespendet, die ähnliches durchmachten oder verzweifelt waren, hatte immer ein offenes Ohr für jeden und immer einen Rat.

Nun ist auch noch Ulrich Bettermann auf die Reise gegangen, auch er hat den Kampf verloren. Er war ein großer SF-Fan, kannte sich bestens aus in der Szene, war seit den 80ern auf unzählbar vielen Cons, ein „Urgestein“, kann man sagen. Wie es so ist, begegneten wir uns immer auf Cons, nie außerhalb davon, doch das machte nichts, es gab immer Unterhaltung und einen freundschaftlichen Umgang. Ulrich war immer freundlich, immer lächelnd, eher ruhig und beobachtend. Auch er hatte bis zum Schluss nicht aufgegeben, immer tapfer gekämpft und war zuversichtlich.

Wenn so etwas kurz hintereinander passiert, wird man wieder einmal nachdenklich und fragt sich, wo eigentlich die wirklichen Werte liegen. Ob manches tatsächlich so wichtig ist und nicht anderes kostbarer.

Solche Momente sollten uns in uns gehen lassen. Sollten uns bewusst machen, wie reich wir sind an Familie und Freundschaft, auf was für einer wunderbaren Welt wir privilegiert sind, zu leben. Der Mensch pauschal erscheint mir derzeit zu egoistisch und selbstsüchtig. Anstatt den Dialog zu suchen, wird beschimpft und mit Gewalt gedroht oder sogar ausgeübt. Wer anders ist, hat zusehends wieder einen schlechteren Stand. Aber was ist denn die Norm? Die gibt es doch gar nicht. Jeder schafft seine Norm für sich selbst und vergisst, an den anderen zu denken. Unsere westlichen Privilegien sind eine Selbstverständlichkeit geworden, und zwar so sehr, dass das Patriarchat wieder zunimmt und Regierende einfach machen können, was sie wollen, selbst Straftaten begehen, und trotzdem an der Macht bleiben. Bei solchen Vorbildern nimmt es nicht Wunder, dass so mancher das Beschimpfen, Verhöhnen und Bedrohen übernimmt, dass so mancher sich für den Dreh- und Angelpunkt der Welt hält und deswegen Sanitäter, die gerade einen Schwerverletzten retten wollen, verprügelt, weil sie ihm im Weg stehen.

An der negativen Entwicklung der Welt kann ich nichts ändern – aber ich kann zumindest in meinem unmittelbaren Umfeld versuchen, auf die zu achten, die mir nahestehen oder die ich auch nur kenne. Mit einem Lächeln im Shop oder auf der Straße kann ich anderen den Tag versüßen, mit Rücksichtnahme denen helfen, die es gerade brauchen, oder einfach auch nur höflich sein. Mal jemandem, der schwer bepackt ist, die Tür aufhalten, oder einer Frau mit dem Kinderwagen die Stufe hochhelfen. Es sind immer nur Kleinigkeiten, doch ich denke, genau diese sind ebenso ansteckend wie die negativen Anmachen, sie helfen, Ignoranz und Intoleranz zu überwinden. Unter der Haut, innen drin sehen wir alle gleich aus. Und eines verbindet uns unverbrüchlich alle, da kommt keiner aus, das ist unsere Sterblichkeit. Wir haben nur ein kurzes Leben. Machen wir es doch uns und allen anderen schön.

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