Den ungewöhnlichen Journalisten und Autor lernte ich durch den Film The Night Listener (mit einem hervorragenden Robin Williams) kennen, der hierzulande nicht einmal in die Kinos kam – völlig zu Unrecht. Daraufhin interessierte mich das Buch (Der nächtliche Lauscher), und schon nach wenigen Seiten war ich eine Gefangene des Autors – und wurde süchtig, wie so viele andere. Maupin, 1944 in Washington DC geboren, lebt mit seinem Mann in San Francisco. Dieser Stadt hat er mit seinen „Stadtgeschichten“ eine unvergessliche Liebeserklärung gemacht. Diese Stories erschienen in den 70er Jahren als täglicher Fortsetzungsroman im SF Chronicle und existieren in Buchform in 6 Bänden. Inzwischen „eigentlich“ 7. Maupin hat einen reduzierten, schnörkellosen Stil, und er schafft es, seine Charaktere in einem kurzen, prägnanten Dialog zu charakterisieren. Die New York Times Book Review schreibt: „Ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, der bis morgens um zwei weiterlas und sich vornahm, beim nächsten Kapitel aber wirklich Schluss zu machen.“ Genau so erging es mir, seit ich den Lauscher in die Hand nahm, und jetzt bin ich fast froh, dass ich mit allem durch bin, um mich wieder anderen Dingen widmen zu können. Man kann einfach nicht aufhören, immer wieder gibt es eine Wendung, eine Spannung, einen Cliffhanger, dass man weiterlesen muss. So habe ich alle Bücher fast in einem atemlosen Zug durchgelesen, was mir bei insgesamt 8 Stück, noch dazu vom selben Autor, noch nie passiert ist. Der Stil liest sich so locker und flüssig, doch die Geschichten sind tiefgründig, voll beißendem Humor aber auch Tragik, und immer voller Lebensmut und Lebensfreude. (Auch wenn es in jedem Band mindestens einen Toten gibt.) Maupin schuf mit den Bewohnern der Barbary Lane 28 skurrile Charaktere, die doch allesamt die Menschen an sich repräsentieren: Auf der Suche nach Liebe, Freundschaft und Anerkennung, und voll Respekt vor dem Tod. Egal, ob nun hetero oder schwul, Mann oder Frau. Gewürzt werden die menschlichen Fährnisse mit vielen Ideen und Einfällen, dazu fließt das Zeitgeschehen mit ein, wie etwa das Selbstmordmassaker in Guyana unter Jim Jones oder der Ausbruch von Aids. Nach 6 Bänden waren die Stadtgeschichten abgeschlossen. Der nächtliche Lauscher ist eine reife Weiterentwicklung, die vor allem die Angst vor dem Älterwerden und der Einsamkeit beinhaltet. Ein Charakter aus den Stadtgeschichten findet sich hier in einem kleinen Auftritt wieder, eine schöne Brücke zu den Erzählungen. Nun, druckfrisch, ist doch noch ein 7. Band zu den Stadtgeschichten erschienen – „Michael Tolliver lebt„, Maupins zentraler Lieblingscharakter, der sicherlich auch ein bisschen Maupin selbst ist (so wie Gabriel Noone aus dem Lauscher), und der diesmal in der Ich-Perspektive (wie beim Lauscher auch) seine Geschichte erzählt, was in den vergangenen 15 Jahren mit ihm und seinen Freunden passiert ist, und wie sie alle mehr oder minder im 21. Jahrhundert zur Ruhe und zu sich selbst fanden. Die nächste Generation ist bereits flügge, und Michael „Mouse“ muss anerkennen, dass er deren Sprache nicht mehr versteht, aber er kann immerhin mit dem Internet umgehen, und er ist doch recht zufrieden damit, wie es weitergeht. Maupin schafft es, Nähe zu seinen Charakteren zu schaffen, und er weiß, wovon er schreibt, verliert jedoch selbst nie die notwendige Distanz, umso vielfältiger und reichhaltiger sind seine Geschichten.