Mary Ann im Herbst (Armistead Maupin)

Da sind sie also, die allerneuesten Stadtgeschichten von Armistead Maupin, die einst in den 70ern in der Tageszeitung begannen. Genau wie bei „Michael Tolliver lebt!“ ist auch dieses Buch ein wenig stiller geworden, und das ist kein Wunder. Alle unsere Lieben aus der Barbary Lane sind in die Jahre gekommen, das Haus selbst gibt es gar nicht mehr, und dennoch halten sie auf die eine oder andere Weise noch zusammen. Auch dieses Mal strömt wieder einiges autobiographisches hinein, wie etwa der Labradoodle oder die zeitgenössischen Themen wie Wirtschaftskrise, mit der auch Michael „Mouse“ Tolliver mit seinem Blumenladen zu kämpfen hat. Maupin schafft es, den sowieso eher unsympathischen Charakter Mary Ann konsequent fortzuführen. Aber auch Mary Ann ist sanfter und desillusionierter geworden, und sie hat Angst – denn sie ist nach San Francisco gekommen, um eine Krebsoperation über sich ergehen lassen zu müssen. (Die OP selbst aber, muss ich sagen, noch dazu bei Krebs, wird ein bisschen zu leicht gemacht – eine Hysterektomie ist die Entnahme eines Organs, was man nicht von heute auf morgen wegsteckt. Aber egal – darum geht es auch gar nicht.) Mary Ann muss sich dabei den Schatten der Vergangenheit stellen, und wieder gibt es einen Toten, der für einige Überraschungen sorgt.
Die Story kann begreiflicherweise nicht mehr an die Geschichten von früher heranreichen, doch für Stadtgeschichtenfans wie mich ist sie rührend und wiederbelebend, dass man gleich Lust bekommt, sie alle noch einmal zu lesen. Logischerweise ist das Tempo gemächlicher, da der Druck der täglichen Zeitung herausgenommen ist, und Maupin nimmt sich Zeit, sodass man eintauchen und genießen kann. Er ist nach wie vor ein wunderbarer Erzähler, und ich freue mich sehr auf den letzten Band, Anna Madrigal, an dem er gerade arbeitet. Netterweise lässt er seine Fans via Facebook an der Entwicklung der Geschichte teilhaben, und ich bin jeden Tag dabei.

tschick (Wolfgang Herrndorf)

Ich habe mir das Buch als TB besorgt und wurde auf den ersten Seiten zunächst mal von euphorischen Rezensionszitaten überhäuft. Na ja, ein bisschen Werbehilfe ist ganz schön, aber hätte man das nicht nach hinten stellen können? Ich möchte mir bitte zuerst gern selbst ein Bild machen. Danke.
Maik Klingenberg hat gerade Sommerferien und sieht sich völlig allein in der elterlichen Villa mit Pool. Mutter ist beim Entziehen, Vater beim Fremdvögeln, und dazwischen gibt es nur Tschick, den russischen Asi. Der klaut einen Lada und geht mit Maik auf Tour. Von Berlin aus irgendwo gen Ex-Zone. Dabei begegnen sie einer Menge skurriler Leute, einer Herumtreiberin, in die Maik sich verliebt, und am Ende bauen sie einen enormen Unfall, der sie auffliegen lässt. Das Gericht tritt schnell zusammen, alles noch in den Sommerferien (!), und stellt fest, dass Asitum keinen Unterschied zwischen Reich und Arm macht, und dass die Eltern schuld sind. Zack, Urteil. Und Maik hat in der Schule endlich was zu erzählen und ist nicht mehr der Loser. Ende.
Und schon gehen meine ganzen hohen Erwartungen nach den feuilletonistischen Höhenflügen flöten. Maik, der 14jährige, benimmt sich eher wie ein 12jähriger, der sich wie ein 8jähriger benimmt. Er entspricht – neben der klischeebehafteten, weil leider allzu realistischen Geschichte – dem hundertprozentigen Klischee des vergeblich in das angesagteste Mädchen verknallten Losers in der Schule, obwohl er eigentlich gute Noten hat und ein helles Köpfchen (wie das zustandekommt, bleibt mir ein Rätsel). Und obwohl seine Eltern ihn schon seit Jahren vernachlässigen, peilt er einfach gar nichts. Er stellt sich dumm an und ist dumm. Es ist nichts an ihm, was auch nur ansatzweise interessant oder gar liebenswert wäre. Ein paar schlaue (ja, wirklich gute!) Lebenssprüche gibt er von sich, durch die man aber leider den Autor hört, denn Maik selbst kann auf sowas nach dieser Charakterisierung und seinem Verhalten gar nicht kommen. Tschick, der schon viel durchgemacht haben muss und an sich ein interessanter Charakter sein könnte, ist einfach nur ein saunetter Kerl, und beide sind mit den Vorgeschichten viel zu harmlos für diese Welt. Sie sind niemals aggressiv, frustriert oder unglücklich, sondern stolpern einfach so dahin, mitten durchs Leben, ohne irgendwo anzuecken. Der Unfall ist die einzige tatsächliche Berührung mit dem Leben und anderen Menschen. Alle Figuren, denen sie unterwegs begegnen, sind oberflächliche Abziehbilder, und irgendwann ist da einfach nur noch Langeweile, weil man sich denkt, also den mit der Knarre haben wir jetzt auch durch, fehlt noch irgendwie die verrückte Krankenschwester. Peng, da ist sie auch schon, auch wenn’s angeblich eine Lehrerin ist. Das größte Manko: Eine Interaktion zwischen den Figuren findet leider kaum statt, alles wird nur von Maik reflektiert, selbst das Mädchen, in das er sich verliebt. Das hat am meisten gestört. Die Schlussszene mit der Mutter passt dann leider gar nicht mehr – ich hätte eher endlich mal eine Aktivität von Maik in Bezug auf das Mädchen erwartet, dass er mal seinen trägen Hintern hochkriegt und es trifft, nachdem das Mädchen immerhin alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um ihn zu finden. Oder wenigstens die Mutter wäre mal aktiv geworden, hätte begriffen, was Verantwortung ist, Zeit wäre es! Aber was macht sie? Weitersaufen, die Möbel aus dem Fenster werfen und sich selbst hinterher. Statt etwas aus dem Leben zu machen, bleiben sowohl die Mutter als auch Maik weiterhin völlig passiv und antriebslos, was einerseits deprimierend konsequent ist, aber leider keinerlei Entwicklung aufweist. Hat Maik denn etwas aus seinem unvergesslichen Wahnsinnsabenteuer gelernt? Nein! Er bleibt, was er ist. Die anderen beachten ihn jetzt nur deswegen, weil er etwas erlebt hat, aber nicht, weil er selbst interessanter geworden ist.
Ich denke, mein vordringliches Problem mit dem Buch ist, dass die beiden Halbwüchsigen nicht authentisch daherkommen. Ich sehe immer den erwachsenen Autor hinter den Jungs, auch wenn sie noch so viel Jugendjargon wie „Alter Finne“ etc. von sich geben, was sicher gut recherchiert ist – aber eben nicht spontan aus der Mitte kommt. Dadurch wirkt die Geschichte konstruiert und nicht „aus dem Leben“.
Das Buch ist angenehmerweise nicht lang, und es liest sich sehr schnell und leicht, ohne weiteren Tiefgang, und ohne dass etwas hängenbleibt. (Nicht mal der Name des Mädchens, in das er sich verliebt hat.) Gut fürs anspruchslose Beachen, denn es ist, ja, das ist es, durchaus eine nette und seichte, stilistisch gut und sauber geschriebene (vielleicht ist es deswegen zu glatt geraten?) Roadmovie-Unterhaltung. Kann aber mit einem „Crazy“ von Benjamin Lebert bei weitem nicht mithalten.

Rückfall in die Barbarei

Als besonders fortschrittlich galt Bayern ja noch nie. Es ist ein stockkonservatives kirchliches Land, das an Althergebrachtem festhält, dessen Existenzberechtigung schon lange nicht mehr angebracht ist. Da Bayern nach wie vor ein Agrarland ist, ist hier die Lobby natürlich auch am größten. Und umso bedauerlicher ist es, dass der Bauernverband immer mehr Rückschritte macht, anstatt sich einmal dem Fortschritt aufgeschlossen zu zeigen. Aber stattdessen werden nun auch noch die letzten Flächen genutzt, um Mais für Biogasanlagen zu pflanzen, Jahr um Jahr, was den Boden völlig auslaugt und kaputt macht und den Wildtieren auch noch die letzten Rückzugsgebiete nimmt. Was will man den Kindern in der „Heimatkunde“ eigentlich noch zeigen? Agrarindustrie mit hunderten Hektar toter Fläche? Kühe, die ihr Lebtag niemals natürliches Licht sehen, geschweige denn jemals ihre Klauen auf natürlichen Boden setzen dürfen? Wildtiere auf Tafeln: „Hier gab es früher mal Spechte“ und dergleichen? Nachtigallen sind schon lange ausgestorben, weil Bodenbrüter überhaupt keine Chance mehr durch die verheerenden Mähmethoden haben.
Gerd Sonnleitner war ja immer ein leuchtendes Beispiel für alle negativen Vorbehalte, die man gegen die Landwirtschaft hegt. Ich lebe hier am Land, ich weiß, wovon ich rede: Abgesehen von den Biobauern stimmt jedes einzelne Vorurteil. Und leider ist es oft sogar noch sehr viel schlimmer.
Und nun kommt also der Neue daher: Joachim Rukwied, der der EU gleich den Kampf ansagt: „Joachim Rukwied lässt keinen Zweifel, wo er steht. Das EU-geförderte Einrichten von ökologischen Ausgleichsflächen und Blumenwiesen, das sogenannte Greening, hält Rukwied beispielsweise für unsinnig, die Erforschung der Gentechnik stattdessen für lohnenswert.“ Im selben Atemzug will er aber: „Sein Ziel ist es, das beschädigte Image der Landwirtschaft aufzupolieren.“ Mit dem Ideal einer tier- und menschenverachtenden Agrarindustrie und Gentechnik wird das aber kaum gelingen. Vor allem wird deutlich, dass Rukwied nicht nur alle Bio-, sondern auch alle Kleinbauern insgesamt kaputt machen will.
Wenn ich so etwas lese, vergeht mir endgültig der Appetit. Und ich kann nur jeden bitten, vielleicht etwas weniger, dafür aber Bio-Qualität zu kaufen. Denn wir schaufeln uns unser eigenes Grab, wenn wir der Industrie Vorschub leisten – schon jetzt sind viele Baktieren antibiotikaresistent, weil wir aus den Industrieprodukten Molkerei und Fleisch so viele Medikamente, Gifte und andere unaussprechliche Dinge zu uns nehmen, dass wir uns mit jeder Mahlzeit vergiften. Und das geht jeden Einzelnen etwas an.

Anmerkungen zu Perry Rhodan 2652


Da ist er also, mein „Jubiläumsband“, 1000 Hefte später. Das ist eine tolle Sache – und Chefexpokrat Uwe Anton hat mir genau dafür ein echtes Schmankerl zukommen lassen, das mir ab der ersten Zeile des Exposés viel Vergnügen bereitet hat und sich quasi von allein schrieb. Uwe Anton gebührt dafür großer Dank, den ich an dieser Stelle aussprechen will. Er hat genau ins Schwarze getroffen und mir alles, was ich liebe, vorgelegt. Den Inhalt selbst, der den aktuellen Zyklus betrifft, finde ich einen ziemlichen Knaller, denn das ist eine weit umspannende Intrige auf höchstem Niveau, die hier eine weitere interessante Facette bietet. Mich hat’s richtig gekribbelt und auch ein wenig gegruselt, bei steigender Spannung.
Ich hatte bisher schon einige Arkoniden beschrieben, allen voran Atlan und Bostich, doch einen neuen Charakter einzuführen, noch dazu auf einer Arkonidenwelt, das war noch einmal ein besonderer Anreiz. Und die Unither! Premiere! Und ein Naat! … äh … ein Naat? Oh … ach, das ist ein Naat.
Was für ein herziges Paar! Mit so viel Hintergrund, der hier nur angedeutet werden darf! Und beide sind Profis, mit allen Konsequenzen. Ganz klar, dass da auch Schwerenöterei nicht fehlen darf. 007, der Aktuelle, lässt grüßen. Ach, hätte ich nur ein paar Seiten mehr zur Verfügung gehabt!
Der berühmte Kellermeister Hennas Lefeink entstammt dem Exposé. Noch zu Hanns‘ Lebzeiten hat Uwe Anton ihn hier verewigt, ohne dass wir zu dem Zeitpunkt wussten, dass es eine letzte Ehrung werden würde. Daher musste Hanns auch ein zweites Mal als Unither Knfl auftreten.
Die Unithernamen bis auf Kormph, Brcl und Stozi gehen auf mich. Perrypedia weiß es: Brcl war Zweiter Pilot der TRAMP im Jahre 2329. (PR 189 von Clark Darlton). Stozi war ebenfalls Besatzungsmitglied, und auch Vlck war mit an Bord – aber natürlich hätte er in diesem besonderen Roman ohnehin eine Rolle gespielt, denn schließlich hat mein unvergessener lieber Freund Ernst Vlcek als damaliger Chefautor das Exposé zu meinem Erstling 1652 „Im Netz des Quidor“ verfasst und darf in diesem Jubiläumsband nicht unerwähnt bleiben.
Das „Stoderbier“, das Vlck trinkt – Hinterstoder war die „Schreibheimat“ von Ernst, idyllisch gelegen, wo sich auch sein umfangreiches Archiv befand. A propos Getränke: Der „pangalaktische Donnergurgler“ darf natürlich auch diesmal nicht fehlen.
Natürlich wird dem Leser auch nicht entgangen sein, dass sich einige aktuelle politische Bezüge finden. Hier konnte ich nicht umhin, denn die Arkoniden bieten sich prächtig zu solchen Parallelen an, und es hat mich diebisch gefreut, kräftig vom Leder ziehen zu können. Korruption, Vorteilsnahme, Intrigen, all das beherrschen Arkoniden bis zur Perfektion. Hier konnte ich kräftig nachbohren. Ich gehe jetzt nicht im Einzelnen darauf ein, jeder möge sich selbst heraussuchen, worauf ich mich beziehe. Da gibt es viele Möglichkeiten – und alle sind gemeint.
Was bleibt noch, nach zwanzig Jahren? Lampenfieber, große Freude und Aufregung. Premiere! Fast genau wie damals. Ein wunderbares Gefühl.

Ein Interview, das Chefredakteur Klaus N. Frick mit mir führte, ist hier zu finden.

Schattenlord 6: Der Gläserne Turm





Claudia Kern erzählt in diesem Band Lauras Suche nach dem Dolch Girne, einem magischen Artefakt, mit dem Alberich möglicherweise vernichtet werden kann. Aber um an den Ort zu gelangen, wo er bewahrt wird, muss sie eine Menge Widrigkeiten und Prüfungen bewältigen. Da ist der Wald der sprechenden Bäume, das Tal des Verlorenen Windes, und die Wiege des Riesen … fantastische Gegenden, und ein spannendes Abenteuer mit vielen Verwicklungen.

Rezension zu „Der Engelseher“

Der Engelseher

Auf der Phantastik-Couch.de ist eine interessante Rezension zu Laura Flöters „Engelseher“ erschienen.
Rezensentin Julia Tambor schreibt dazu: „Der Engelseher ist alles andere als seichte Fantasy, sondern ein überwältigendes und außergewöhnliches Buch, das sicher nicht jedermann gefallen wird.

Schattenlord 5: Sturm über Morgenröte





Er ist bereits im Mai erschienen: Der fünfte Band meiner Serie Schattenlord, von mir geschrieben mit dem Titel „Sturm über Morgenröte“.
Laura und ihre Gefährten sind Gefangene des finsteren Drachenelfen Alberich, der den Palast Morgenröte erobert und dort seinen Drachenthron aufgestellt hat. Während Alberich Lauras Seele „seziert“, kommt es zur ersten „leibhaftigen“ Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Schattenlord. Und dann greifen die Iolair an, eine mächtige Widerstandsgruppe im Reich Innistìr …
Infos und Bestellung wie immer hier.

Auf eine Mail … im Juni

Soeben erschienen ist die aktuelle „Auf eine Mail“ im Interview von Andi Wolz mit mir. Diesmal geht’s um das tiefe Loch nach dem Schreiben und um angehende Autoren, die sich für fertig halten.